Düren: Henner Schmidt, der Chef der Dürener SPD-Fraktion, hat am Dienstag einen bemerkenswerten Begriff verwendet: systemrelevant. Dabei lächelte er vielsagend. Schmidt meinte nicht die Banken, die immer gerne als systemrelevant bezeichnet werden. Er meinte die Kinder.
In Düren etwa ist es wie in vielen anderen Städten nicht möglich, alle vom Land geforderten Plätze für unter Dreijährige einzurichten, des Geldes wegen, natürlich. Nun muss man dazu sagen, dass das Land NRW diese Plätze per Gesetz festschreibt und den Kommunen weitgehend die Finanzierung überlässt.
6,4 Millionen Euro müsste die Stadt Düren aufbringen, um die Quote (35 Prozent aller U 3-Kinder müssen einen Platz bekommen) zu erfüllen (das Land zahlt 1,6 Mio.). Das kann eine Kommune nicht allein schaffen – Land und Bund müssten viel mehr helfen. Deshalb noch einmal der Begriff: systemrelevant. Banken ja, Kinder nein. Ganz offenbar.
Bleiben wir noch einen Moment beim Thema: Angesichts überdurchschnittlich großer Kinderarmut in der Stadt Düren findet Mitte des Monats ein Gipfel auf Schloss Burgau statt, der das Bewusstsein für die Probleme schärfen soll, wie wir Freitag berichteten.
Mehr als ein Viertel der Dürener Kinder gelten als arm; sie leben von Hartz IV- oder Sozialhilfe. Immer wieder hören wir davon, dass diese Kinder in Ganztagsschulen kein Geld für das Mittagessen haben. Die Eltern können oder wollen nicht zahlen. Diese Kinder haben schlechtere Voraussetzungen, wenn es um Bildung geht oder um ganz normale Teilhabe in Vereinen.
Auch hier sei kurz der Begriff: systemrelevant herangezogen. Gleichwohl gibt es in Düren schon eine Menge an unterstützenden Maßnahmen, wie Hausaufgabenhilfe oder Vorlesepatenschaften. Die Musikschule macht Angebote, der eine oder andere Klub ebenfalls.
Viele Firmen, Vereine und Verbände spenden. Sie alle haben die Systemrelevanz erkannt. Aber es reicht nicht. Dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen: Es geht nicht nur ums Geld. Es geht (vor allem) auch um Zeit. Zeit, die Kinder bekommen müssten. Die ist mit Geld gar nicht zu bezahlen.
Auch da braucht es heutzutage externe Hilfe, weil Eltern diese Zeit nicht aufbringen können – oder wollen. Der Gipfel auf Schloss Burgau, bei dem Vertreter aus Wirtschaft und Verbänden angesprochen werden sollen, versucht zu helfen. Viel Erfolg dabei.
Sicher nicht systemrelevant ist diese kleine Geschichte, die Donnerstag in den DN stand: Die Stadt will Erschließungsgebühren für eine Straße in Niederau verlangen nach 40 Jahren. Es gibt noch weitere Straßen, die ähnlich alt und auch noch nicht abgerechnet sind. Im Ausschuss für Stadtentwicklung wurde darüber diskutiert, ob die Verwaltung das Geld noch verlangen kann.
Dies sei auch eine moralische Frage, sagte Iris Papst von der CDU, Peter Koschorreck sagte, man müsse nach Recht und Gesetz handeln. Dann muss gezahlt werden, auch wenn der Vorgang, sagen wir: gewöhnungsbedürftig lang, in der Schublade gelegen hat. Die Politik will sich nun im Rat mit dem Thema befassen. Nächste Woche, nicht in 40 Jahren.
In diesem Sinne ein schönes Wochenende. Dieser Wunsch ist für uns übrigens systemrelevant. Vor allem jetzt in der Weihnachtszeit. I.latotzki@zeitungsverlag-aachen.de